Donnerstag 17. März 2022
Manche entscheiden sich dafür, Geflüchtete bei sich zu Hause aufzunehmen. Andere spenden Geld oder Güter an Hilfsorganisationen. Wieder andere bekunden mit Aufklebern, Fahnen oder Protestschildern ihre Solidarität mit der Ukraine. Und auch fürs Netz haben sich viele Menschen Ansätze überlegt, wie sich der Schrecken des Kriegs zwar nicht stoppen, aber zumindest sichtbarer als bisher machen lässt – auch in Russland.
Eine wenige Tage später gestartete Netzaktion dagegen wurde bislang nicht ausgebremst, angeblich nimmt die Aktion sogar zunehmend Fahrt auf. Mit derzeit drei Websites möchte eine Hackergruppe namens squad303 Internetnutzerinnen und Internetnutzer motivieren, Menschen aus Russland proaktiv Nachrichten zu schicken und diese so über Putins Krieg aufzuklären.
Die Website mail.1920.in setzt dabei auf E-Mails, 1920.in auf SMS und wa.1920.in auf WhatsApp-Nachrichten. Auf jeder der Seiten werden den Nutzerinnen und Nutzern Beispieltexte auf Russisch sowie bei jedem Aufruf wechselnde E-Mail-Adressen und Handynummern eingeblendet, die angeblich alle Russinnen und Russen gehören.
»Jeder von uns hat die Möglichkeit, eine direkte Botschaft an die Bewohner dieses versklavten Landes zu übermitteln«, schreiben die Betreiber der Seiten, bei denen es sich laut dem »Wall Street Journal« um Programmierer aus Polen handelt. Dazu passt die Jahreszahl in den Seitentiteln, die der Gruppe zufolge auf die Schlacht bei Warschau von 1920 anspielen.
Den anonym auftretenden Betreibern zufolge enthält die Datenbank, auf der ihre Angebote basieren, 20 Millionen Telefonnummern sowie rund 140 Millionen E-Mail-Adressen. Die Daten habe man sich aus Russland »geliehen« und allesamt validiert, teilt squad303 dem SPIEGEL per E-Mail mit. Stand Montagvormittag sei ihr Dienst kurz davor, die Grenze von zehn Millionen verschickten SMS- und WhatsApp-Nachrichten zu überschreiten, schreibt ein Sprecher der Gruppe, der darin keinen Spam sieht, sondern eine »ganz besondere Art des SMS-Marketings«. Mit der zehnmillionsten Kontaktaufnahme per E-Mail wird ihm zufolge ebenfalls noch Montag gerechnet.
Wie oft genau auf die Nachrichten gen Russland eine Reaktion zurückkommt, ist unklar. Auf Twitter und im »Wall Street Journal« berichten Nutzerinnen und Nutzer der Services aber von authentisch wirkenden Rückmeldungen. Mal ist von wütenden Antworten aus Russland die Rede, mal von längeren, offenbar konstruktiven Dialogen. Die Macher der Dienste schätzen, dass in rund 10 bis 25 Prozent der Fälle auf die ungebetene Kontaktaufnahme reagiert wird.
Sie arbeite momentan mit Experten aus vielen Ländern zusammen, um die Inhalte zu verbessern, die von den Menschen gesendet würden, heißt es von der Gruppe, die sich selbst in der Tradition von Projekten wie Radio Free Europe sieht. Das Hauptziel sei nicht, möglichst oft sofort Antworten zu erhalten. Vielmehr gehe es darum, Kommunikationsbrücken zwischen Menschen aus der freien Welt und einzelnen Russen zu bauen. Man wolle Millionen von Russen die Möglichkeit geben, sich zurückzumelden, wenn sie dafür bereit seien.
— spiegel.de
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